Wir Zuschauer heulen meist unisono in eine Richtung, wenn wir über das deutsche Fernsehen befinden. Trashisierung, wohin man schaltet, oder wahlweise schnarchsackiger Bildungsauftrag. Längst wir uns die US-Serien staffelweise rein, weil wir Carmen vernebelt finden und uns die Fischer-Frau Helene in die Spontan-Depression treibt. GEZ-Zombies wollen dafür auch noch Geld. Wut beim Bürger. Schaden ohne kollateralen Genuss. Risse, Bisse, ein Schuss Alles stimmt, und wahr ist aber auch: Es gibt Filme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die allein schon 17,98 Euro Monatsgebühr wert sind. Ein solcher ist „Kinderparadies“ aus -Reihe „Polizeiruf 110“, den Leander Haußmann („Sonnenallee“, „Herr Lehmann“) inszenierte und an dessen Drehbuch er schrieb. Das Stück beginnt mit Puzzleteilen. Ein Paar, das haben möchte. Ein Babyphone, das stört. Ein Elternabend, der entgleist. Das könnte ganz arg konstruiert enden. Verrutschen ins allzu Ambitionierte. Haußmann, der erstmals bei einem TV-Krimi Regie führte, könnte sich verfransen ins Künstlerisch-Verkünstelte des Theaters. Zitierwütig, musikversessen. Könnte, könnte. Und es kommt anders. Besetzung und Stab von Polizeiruf 110: Kinderparadies, Regisseur: Leander Haußmann. Besetzung: Matthias Brandt, Annika Kuhl, Lisa Wagner, Steffi Kühnert. Polizeiruf 110: Kinderparadies Kritik Leander Haußmann als Krimi-Regisseur – daran könnte man sich glatt gewöhnen. Die Eingangssequenz kündigt eine Eskalation der Ereignisse an. Kurz darauf wird der Zuschauer erst zum Voyeur, dann zum Zeuge eines Mordes. Doch nichts ist, wie es scheint in Leander Haußmanns Krimi-Debüt. Ein hohes Tier, dieser Brandt. Wahrscheinlich war Matthias Brandt als Münchner Kommissar von Meuffels nie besser. Ein Ermittler, der am Opfer erkennt: „Es ist zerbrochen, was zu zerbrechen war.“ Fünf Mal wurde die Frau angefahren, überfahren, niedergefahren. Meuffels hat plötzlich eine Zweijährige im Seelengepäck. Das Kind hält sich bei Bob Dylan die Ohren zu. Wie, kein Brei? Am Ende kauft der überforderte Polizist Burger und Pommes und steckt dem kleinen Mädchen seine Visitenkarte zu. Falls es mal reden wolle. Was für eine großartige Szene. Eine weitere, die man nur biografisch lesen kann. Von Meuffels erzählt dem Kind von seinem Vater. „Er war ein hohes Tier. Ich habe den mehr im Fernsehen gesehen als in der Wirklichkeit.“ Sagt der Schauspieler, der halt auch Sohn des großen Willy Brandt war. Er habe keinen dieser „Schmunzelkrimis“ inszenieren wollen, hat Leander Haußmann gesagt. Und die einzige Schmunzelszene ist jene, als der Kommissar dem Kind der toten Frau „Heile, heile Gänschen“ singt, und drei Männer von der Spurensicherung recht hilflos einstimmen. Wohlstandsmodus mit Soja Mal keine klassische Sozialkiste, die hier gezimmert wird. Kein Wohngetto, kein Hartz IV, kein arbeitssuchendes Milieu. Auch im Wohlstandsmodus darf es einen richtig grausen. Handlungszentrum ist eine Super-Kita. Alles handgefeiltes Holz mit Herzmehrwert, Flügel und Feng Shui. Soja statt Milch, wer will schon ein lactoseverträgliches Kind in seiner perfekt konstruierten Manufaktum-Welt? Hinter der schönen Heile-heile-Gänschen-Welt gibt es die Erwachsenen. Die lügen, betrügen. Schlagen sich oder einander. Regisseur Haußmann hat dafür vor allem mit Annika Kuhl und Steffi Kühnert ein fantastisches Ensemble aufgerufen. Weichei-Männer und Rache-Frauen.
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Abril 2019
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